Folge 2: Kühe auf den Gleisen
Bevor
Klaus tatsächlich selber Lokomotiven
fahren durfte, musste er erst einige Wochen bei der Bahn noch einmal die Sachen
wiederholen, die ihm sein Papa schon beigebracht hatte. Am Ende dann gab es
eine schwere Prüfung, bei der er nicht nur
eine Lokomotive fahren, sondern auch einen Test schreiben musste und von
mehreren wichtigen Menschen von der Bahn befragt wurde.
Aber da
Klaus alle Fragen richtig beantwortete und auch seine Probefahrt mit der Lokomotive
fehlerfrei war durfte er schon in den nächsten Osterferien seinen
eigenen Zug steuern. Sein Papa hatte ihm einen Lokführer-Anzug und eine Lokführer-Mütze geschenkt. So etwas tragen zwar Lokführer heute gar nicht mehr, aber das war Klaus egal. Er fand
das schick und war ganz stolz, als er so am ersten Ferientag morgens zusammen
mit seinem Papa die Wagons verließ, in denen sie wohnten, um zum
Bahnhof zur Arbeit zu gehen. Da warteten wieder ganz viele
Leute von der Presse und sogar zwar Teams vom Fernsehen auf ihn.
Seine
Aufgabe für heute war es die
Regionalbahn von Kiel nach Neumünster zu fahren. Das ist keine
lange Strecke und deshalb ideal für den ersten Arbeitstag. Um 07:58
sollten sie starten. Klaus setzte sich in seine Lokomotive, die schon am Gleis
im Kieler Hauptbahnhof auf ihn wartete. Er startete den Motor und sah dann raus
auf das Gleis. Sein Papa winkte und er konnte erkennen, dass die Leute von den
Zeitungen einstiegen. Nur die Fernsehteams blieben noch stehen und filmten in
seine Richtung. Dabei war es schon 07:56 Uhr und Klaus wollte doch nicht an
seinem ersten Arbeitstag schon mit Verspätung losfahren. Deshalb tutete
er einmal laut mit der Lokomotive, so dass die Kamerateams erschrocken
zusammenzuckten und dann eilig einstiegen.
Pünktlich um 07:58 Uhr sprang das Signal am Gleis auf grün und Klaus fuhr los. Es war ein schöner Frühlingstag. Die Sonne schien in
seine Lokomotive und sie fuhren sanft mit vorschriftsmäßiger Geschwindigkeit in Richtung Neumünster.
Doch kurz
hinter Bordesholm passierte es. Erst dachte Klaus, dass da vorne nur der
Schatten der Bäume auf den Gleisen war. Doch
plötzlich erkannte er, dass es Kühe waren, die gemütlich das Gras zwischen den
Gleisen und neben einer Weiche aßen. Klaus betätigte augenblicklich die Bremse. Wer schon mal mit einem
Zug gefahren ist, der weiß, dass so ein Zug lange
braucht, bis er steht. Das liegt daran, dass ein Zug sehr schwer ist und er
auch immer etwas auf den Schienen rutscht. Klaus sah, dass die Kühe immer näher kamen. Er konnte schon erkennen,
dass sie schwarze und weiße Flecken hatten und dass sie
beim Quietschen des Zugs nun verwundert zu ihm hochguckten. Dann endlich
blieben sie stehen. Bis zu den Kühen waren es nur wenige Meter,
doch nichts war zum Glück passiert. Die Kühe wendeten ihren Blick wieder weg von dem Zug, da dieser
nicht mehr quietschte und aßen genüsslich weiter das Gras zwischen den Schienen.
"Was
ist denn passiert?", fragte über das Funkgerät eine Mitarbeiterin, die gerade die Fahrkarten im Zug
kontrolliert hatte.
"Vor
uns stehen Kühe. Sag den Gästen, dass es gleich weiter geht", antwortete Klaus.
Dann rief
Klaus bei der Zentrale der Bahn an und berichtete, dass sie angehalten hatten.
Das musste die wissen, damit sie andere Züge hinter ihm anhalten
konnten. Er wollte ja nicht, dass ihnen noch jemand drauf fuhr. Auch musste die
Züge aus der Gegenrichtung
gewarnt werden, dass hier Kühe rum laufen.
Dann
stieg Klaus aus dem Zug aus und ging zu den Kühen
hinüber. Die beachteten ihn jedoch
gar nicht. Klaus versuchte sie durch wildes Herumfuchteln mit den Armen zum
Weggehen zu bewegen. Doch nichts tat sich. Auch ein erneutes lautes Tuten mit
der Lokomotive ließ die Kühe unbeeindruckt.
Klaus war
verzweifelt. Er merkte, dass die Leute im Zug ihn beobachteten. Sie hatten
schon zehn Minuten Verspätung und kein Zug konnte hier
durch - ausgerechnet an seinem ersten Arbeitstag.
Doch da
fiel ihm die Lösung ein.
Neben den
Gleisen war ein Getreidefeld mit ganz viel Stroh. Er sammelte schnell so viel
Stroh zusammen wie er tragen konnte. Den Strohhaufen band er dann vorne an
seine Lock. Außerdem verteilte er etwas davon
auf den Gleisen auf dem Weg bis zu den Kühen. Tatsächlich bemerkten die Kühe das Stroh und begannen es
zu essen. Immer näher kamen sie der Lok. Klaus
stieg schnell ein, telefonierte kurz mit den Kollegen im Stellwerk und fuhr
ganz langsam rückwärts. Die Kühe waren wohl so hungrig auf
das Stroh, dass sie ihm hinterher liefen. Dann bogen sie auf ein Nebengleis
ein, das schon viele Jahre nicht mehr genutzt worden war, denn die Kollegen vom
Stellwerk hatten die Weichen entsprechend gestellt. Dieses Gleis war weit weg
von den normalen Schienen, wo die schnellen Züge
fahren. Dort hielt Klaus an und band das Stroh los. Die Kühe blieben auch stehen und aßen
gemächlich das Stroh weiter. Klaus
fuhr den Zug noch ein paar hundert Meter weiter zurück, doch die Kühe blieben auf dem Nebengleis.
Dann bogen sie zurück auf die normale Strecke,
die nun völlig frei von Kühen war. Ohne weiter Probleme fuhren sie weiter bis Neumünster.
Leider hatten
sie dort eine halbe Stunde Verspätung. Doch niemand aus dem Zug
war deswegen böse. Alle hatte gesehen, wie
geschickt Klaus das Problem mit den Kühen gelöst hatte. Einige applaudierten sogar. Und am Abend zeigte
das Fernsehen einen kleinen Bericht darüber. Zusammen mit seinen
Eltern sah Klaus sich selbst dabei zu, wie er das Stroh festband und wie die Kühe alle hintereinander seiner Lokomotive mit dem Stroh
hinterherliefen. Das sah so witzig aus, dass Klaus und seine Eltern sich vor
Lachen die Bäuche halten mussten. Aber
Klaus hoffte dennoch, dass am nächsten Tag keine Kühe auf der Strecke sein würden.
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