Dienstag, 3. September 2013

Folge 1: Wie Klaus Lokführer wurde



Klaus der Lokführer


Folge 1: Wie Klaus Lokführer wurde

Klaus ist zehn Jahre alt und Lokführer bei der Bahn. Nun wundert Ihr Euch sicherlich, wie es sein kann, dass ein Junge mit zehn Jahren schon Lokführer ist. Eigentlich fahren doch Erwachsene Eisenbahnen, vor allem Erwachsene mit Bärten. Aber Klaus hat keinen Bart. Klaus geht in die vierte Klasse einer Grundschule in Kiel. Aber Klaus ist kein normaler Junge. Und das kam so.

Die Eltern von Klaus arbeiten beide bei der Eisenbahn. Die Mama von Klaus arbeitet in einem Stellwerk. Das bedeutet, dass sie dafür sorgt, dass die Züge immer in die richtige Richtung fahren. Sie stellt die Weichen, schaltet Signale auf Grün zum Losfahren und achtet darauf, dass keine Züge zusammenstoßen. Der Papa von Klaus ist auch Lokführer. Er fährt sowohl Güterzüge als auch Schnellzüge wie den ICE.

Bei solchen Eltern ist es nicht verwunderlich, dass auch Klaus Bahnfahren toll findet. Die ganze Familie von Klaus wohnt auch nicht in einem normalen Haus. Sie wohnen in einem alten Zug, der in Kiel in der Nähe vom Wasser auf einem Abstellgleis steht, wo keine echten Züge mehr fahren dürfen. Das Kinderzimmer von Klaus ist ein Schlafwagen, die Küche ist in einem Speisewagen und das Wohnzimmer ist in einem Wagon mit ganz vielen Sitzen. Das erste Wort, das Klaus sagen konnte, war "Eisenbahn" und sein Spielzeug bestand vor allem aus Modelleisenbahnen.

Da die Mama und der Papa von Klaus arbeiten mussten, hat der Papa ihn oft mit in seine Lokomotive genommen. Da hat er ihm dann alles erklärt: Welche Signale draußen an der Strecke zu beachten sind, welche Knöpfe man zum Fahren drücken muss und an welchen Hebeln man zum Anhalten ziehen muss. Er lernte schnell, dass man in Bahnhöfen halten sollte und dass man nur so schnell fahren darf, wie die Schilder an der Strecke anzeigen.

Ab und an durfte Klaus auch mal selber fahren. Natürlich hat sein Papa immer alles im Griff behalten und aufgepasst, dass kein Fehler passieren konnte. Für Klaus war das eine tolle Zeit und er kam in alle Städte, die es in Deutschland gibt.

Eines Morgens jedoch ging es dem Papa von Klaus nicht gut. Er hatte wohl etwas Schlechtes gegessen und hatte ganz schlimmen Durchfall. Die ganze Nacht schon hatte er auf dem Klo gesessen und war dort sogar am frühen Morgen eingeschlafen. Klaus wusste, dass sein Papa heute eine wichtige Bahnfahrt von Kiel nach Berlin hatte. Lebende Fische sollten mit einem Güterzug transportiert werden. Und wenn die zu spät in Berlin ankommen, dann könnte es sein, dass es den Fischen nicht mehr gut geht. Das wollte Klaus nicht. Deshalb nahm er heimlich die Schlüssel für den Zug aus der Jacke von seinem Papa und ging zum Bahnhof. Seiner Mama hatte er gesagt, dass er zu Schule gehen würde. Aber anstatt in die Schule zu gehen, stieg er in den Zug seines Papas ein und fuhr mit den ganzen Fischen nach Berlin. Er wusste ja genau, wie das geht, weil ihm das sein Papa beigebracht hatte. Es war eine tolle Fahrt ohne Probleme. Auch die Leute im Stellwerk und in den Bahnhöfen merkten nicht, dass da ein zehnjähriger Junge den Zug fuhr. Zum Glück war heute der freie Tag von seiner Mutter. Sonst hätte sie vielleicht seine Stimme über Funk erkannt.

Klaus wusste nicht, dass diese Fahrt eine ganz besondere Fahrt war. Das war nämlich das hundertste Mal, dass die Fische nach Berlin gefahren wurden. Deshalb hatte die Bahnfirma in Berlin eine große Feier organisiert und den Zug mit Klaus mit einem Feuerwerk begrüßt. Klaus war sehr verwundert, weshalb plötzlich so viele Menschen am Bahnsteig standen. Da waren zum Beispiel der Oberbürgermeister von Berlin, ganz viele Minister und der Bahnchef. Und die guckten auch ganz verwundert, als plötzlich am Bahnsteig ein zehnjähriger Junge aus der Lokomotive ausstieg.

Zum Glück von Klaus waren auch ganz viele Menschen von der Presse und vom Fernsehen da. Die schossen ständig Fotos und filmten wie Klaus aus der Lokomotive ausstieg. Der Bahnchef stand auch da und sah Klaus erst erschrocken an.

"Wer bist Du denn?", flüsterte der Bahnchef Klaus ins Ohr, während er in die Kameras lächelte.
"Ich bin Klaus. Mein Papa ist krank und die armen Fische mussten doch nach Berlin. Da bin ich gefahren. Mein Papa hat mir alles beigebracht. Sind sie jetzt böse auf mich?", flüsterte Klaus zurück.
Der Bahnchef grinste immer noch in die Kameras und sagte ganz leise zu Klaus: "Darüber reden wir später. Bitte sag davon nichts. Ich rede und Du nickst dazu. Okay?"
Klaus nickte.

Der Bahnchef nahm sich ein Mikrofon und sagte laut zu den Leuten von den Zeitungen und dem Fernsehen: "Das ist Klaus. Klaus ist unser jüngster Lokomotivführer. Sie sehen, dass man bei der Bahn schon ganz früh arbeiten kann. Wir wollen der Jugend eine Chance geben. Und Klaus hat das doch toll gemacht. Die Fische sind auch bei der hundertsten Fahrt pünktlich angekommen. Einen Applaus für Klaus!"

Und alle um Klaus herum klatschten und Klaus nickte nur, wie der Bahnchef ihm gesagt hatte. Der Bahnchef nahm Klaus sogar in den Arm und grinste noch etwas breiter in die Kameras.

Natürlich haben die Eltern von Klaus abends ein bisschen mit ihm geschimpft, weil er so einfach alleine mit dem Zug losgefahren war. Allerdings waren sie auch stolz auf ihn, weil er die Fahrt alleine geschafft hat. Der Papa von Klaus hatte auch ein bisschen Angst, dass man ihn nun bei der Bahn entlassen würde, weil er auf dem Klo eingeschlafen war und nicht verhindert hatte, dass Klaus den Zug nahm. Deshalb konnte er die ganze Nacht nicht einschlafen.

Am nächsten Morgen klingelte ganz früh das Telefon. Der Papa von Klaus ging ran. Plötzlich wurde er ganz bleich im Gesicht.
"Hier ist der Bahnchef", sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung. "Sind Sie der Vater von Klaus? Wissen Sie eigentlich, was hier in der Zentrale der Bahn seit gestern los ist?".
Der Papa schluckte und murmelte dann ängstlich: "Nein...?"
"Das habe ich mir gedacht", sagte der Bahnchef. "Hier ist die Hölle los. Ständig rufen die Leute von der Presse an und Fernsehteams wollen Interviews. Ihr Sohn ist ein Star. Alle finden ihn toll. Endlich berichten die Zeitungen nicht immer nur davon, dass Züge Verspätung haben oder es zu heiß oder zu kalt im Zug ist. Klaus macht die Bahn beliebt. Man fragt sogar schon, wann er wieder fährt."
Der Papa von Klaus sagte nichts und sah nur verwundert zu seiner Frau und Klaus hinüber, die wiederum ihn fragend ansahen.
Der Bahnchef wartete auch keine Antwort ab und sprach gleich weiter: "Ich habe gar kein Wahl, als Ihren Sohn als Lokführer einzustellen. Wann kann er anfangen?"
Sie unterhielten sich noch kurz, dann legte der Papa den Hörer auf.

"Was hat er gesagt", bestürmten ihn seine Frau und Klaus. Als er es ihnen erzählte mussten sich beide erst einmal hinsetzen. Klaus lief eine kleine Träne die Wange vor Freude herunter.
"Du darfst aber nur eine Lokomotive fahren, wenn Du immer brav Deine Hausaufgaben machst. Und dann auch nur am Wochenende und in den Ferien", sagte der Papa von Klaus und wollte dabei sehr streng klingen. Das gelang ihm aber nicht und er musste vor lauter Stolz laut loslachen. Klaus und seine Mutter lachten sofort mit und so lachten sie noch, als Klaus das Haus verließ, um als frisch gebackener Lokführer zur Schule zu gehen.

Deshalb ist Klaus mit zehn Jahren Lokführer geworden. Und was er alles als Lokführer erlebt, das könnt Ihr hier in wenigen Tagen lesen.

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